Exkursionen
Gemeinsam unterwegs in Zürich

Wer eine Story schreiben will, muss etwas erleben beim Forschen. Aus der lebendigen Begegnung mit dem Gegenstand ergibt sich das Erzählen. Im Idealfall ist ein Seminar über Storytelling selbst wie eine Geschichte aufgebaut.
Auch in diesem Semester haben wir Menschen besucht, Forscher kennengelernt und auch dank ihrer Hilfe Figuren entwickelt, die zu Haupt- und Nebenfiguren der Storys wurden. Motive, Konflikte und Strategien, Neugier und Fleiss gehören dazu, aber auch Glück und Serendipity beim Finden eines Stoffs, den man noch gar nicht zu suchen begonnen hatte. Eine gute Story findet den Empfangsbereiten von selbst.
Als Dozentin lege ich grossen Wert auf die Zürcher Institutionen, in denen Forschende tätig sind, um ihr Wissen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Sie verwalten Schätze, von denen sie kenntnisreich und freudig erzählen.
Für die Studierenden und mich sind solche Begegnungen kostbar. Hier geschieht Inspiration, die in die Storys einfliesst. Audio- und Videoelemente zeugen von Gesprächen, die nach der Exkursion fortgesetzt und vertieft wurden.
Die erste Exkursion war eine Stadttour. Der Jurist Christof Burkard führte auf der Spur des Geldes zu Schauplätzen zwischen Neumarkt und Paradeplatz. Ein besonderer Fokus lag auf der Moderne, insbesondere der Entstehung des Bankgeheimnisses und seinem Ende. Leider haben wir vergessen, Bilder zu machen.
Landesmuseum
Mit Christian Weiss


Die zweite Exkursion führte zum Kurator der Numismatik und Siegel im Landesmuseum, Dr. Christian Weiss.
Er empfing uns an einem Septembermontag, obwohl das Landesmuseum geschlossen war. Mit einer schönen Auswahl von Münzen gab er uns eine prägnante Einführung in die Numismatik, die Typologie und auch die Terminologie zur Beschreibung von Münzen.
Christian Weiss' Sehanleitungen waren überaus hilfreich. Wir hätten wohl vor lauter Bäumen bald den Wald nicht mehr gesehen, obwohl wir nur Münzen und Medaillen anschauten (das Münzkabinett beherbergt aber auch viele andere Bestände, insgesamt über hunderttausend Objekte).
Christian Weiss fokussierte insbesondere auf die Schweizer Münzen, die in der Sammlung des Landesmuseums einen Schwerpunkt ausmachen. Besondere Aufmerksamkeit verdiente die Münzprägung in Zürich, die rechtliche Situation und auch die Fundorte von Münzen.
En passant verriet Christian Weiss, wie ein Historiker und Archäologe zum Münzfachmann und stellvertretender Leiter einer grossen Abteilung des Landesmuseums wird. Ganz am Anfang stand eine ebenso schöne wie überraschende Geschichte, die zeigt, wie wissenschaftliche und kulinarisch-gastronomische Interessen einander befruchten können.
Das Impulsreferat des Fachmanns, die Chance, ihm in so einem kollegialen Rahmen Fragen stellen zu können, seine Anekdoten und Hintergrundstorys inspirierten die eine oder andere von uns, die eigene Story rund um Münzen zu konzipieren.







MONEY MUSEUM
Mit Jürg Conzett

Jürg Conzett, Gründer und Leiter des Money Museum an der Hadlaubstrasse 106, war unser nächster Gastgeber. Er hatte bereits an der ersten Seminarsitzung teilgenommen, sich als Leiter der Partnerinstitution dieses Semesters vorgestellt.
Diese Partnerschaft verdankt sich erstens dem gemeinsamen Thema, dem Geld. Das abgebildete Buch ist eines der Wechselbücher, das auch für Florian Kollers Story relevant war.
Zudem engagiert sich Jürg seit vielen Jahren für kritisches Denken in Geldfragen. Nun lässt er es als Kooperationspartner auch in die Cusanus-Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz einfliessen, indem er die Entwicklung neuer Lehrmittel unterstützt.
Last but not least ist Jürg ein passionierter Storyteller. Seine Themen gehen weit über Geldfragen hinaus und stellen oft Literatur, Philosophie und Sachbücher ins Zentrum. Die Conzetts waren eine Zürcher Verlegerfamilie, für viele Jahre leitete Jürgs Grossmutter, Verena Conzett, das Unternehmen. Mit neuen Mitteln entwickeln Jürg und sein Team Lehrmedien.
Jürg Conzett ging mit uns durch seine Sammlung von historischen Zahlungsmitteln, wo wir vom Unterschied zwischen Geld und Geld, der soziohistorischen Funktion von Muscheln und Hundezähnen sprachen.
Alte Drucke aus zahlreichen Wissensgebieten waren ausgestellt, denn das Money Museum ist eine überaus gediegen ausgestattete Bibliothek mit Begegnungsraum. Jürg erzählte von der Entstehung der Institution und dem architektonischen Konzept von Tilla Theus, die für den Innenausbau zeichnet.
Viel Raum nahm die Präsentation der Exposés ein. Die Recherchen für die Storys waren noch im Frühstadium, aber im Gespräch zeigte sich bei manchen schon der rote Faden. Jürg nahm als Sparringpartner an unseren Diskussionen teil. Nach vier Stunden gingen wir wieder zum Bähnlein, reich beladen mit Bildern, Wissen, Inputs und Idee



GRAFISCHE SAMMLUNG
Mit Jochen Hesse

Unsere letzte Exkursion führte in die Grafische Sammlung in der Zentralbibliothek Zürich. Ihr Leiter, Dr. Jochen Hesse, ist ein ebenso fachkundiger wie begeisterter Gesprächspartner. Seine Schätze lagern tief unter der ZB, sogar unter dem Grundwasserspiegel.
Der Kunsthistoriker ist zuständig für eine denkbar vielfältige Sammlung. Die Bestände reichen von Fotosammlungen über Bücher, alte Drucke, Ölgemälde und grafische Arbeiten bis zu dreidimensionalen Objekten: vom Taufhemd des Reformators über den Prototyp für das Signet einer Grossbank bis zum Portemonnaie von Gottfried Keller.
Jochen Hesse zeigte Exponate aus vielen Jahrhunderten und weckte Interesse auch für ökonomische Aspekte der Kunst, namentlich jener von Frauen. Seine Forschung zu Clementine Stockar-Escher bringt erstmals Licht ins künstlerische Werk von Alfred Eschers älterer Schwester.




Ich bedanke mich bei diesen Experten sehr herzlich für ihre Gastgeberschaft. Die offenen Türen haben wir sehr geschätzt. Als Dozentin freue ich mich ganz besonders, dass die Autorinnen und Autoren der Storys nochmals zurückgekehrt sind, um das Gespräch zu vertiefen. Manche Begegnung ist auch in den Storys dokumentiert.
Fotos: Hildegard Keller