Lydias Fest

Fakten und Fantasie. Ein Blick ins erste Buch der Edition Maulhelden

Die Villa Belvoir zu Lydia Welti-Eschers Lebzeiten. Spiegel, der Kater, hat soeben eine Wachtel erwischt. Lydia kümmert das nicht – das bevorstehende Fest wird auch mit einem Vögelchen weniger ein Erfolg. Gottfried Keller hingegen bereitet Lydia Sorgen. Wird er doch noch erscheinen? Und wie kommt sie mit dem viel zu früh eingetroffenen Karl Stauffer-Bern zurecht? Der Kurzroman von Hildegard Keller und Christof Burkard stellt Lydias Freundschaften und ihre Perspektive darauf ins Zentrum und inszeniert Begegnungen am schönsten Schauplatz von Lydias kurzem Leben.

Christof Burkards Rezepte und Einschübe zur Kulinarik der Zeit laden zum Nachkochen ein. Für Kopf, Herz und Gaumen ist das Motto der Edition Maulhelden. Für Sie habe ich Hildegard Keller zu Ihrem neuen Buch befragt.

Lydias Fest ist der erste Band der Edition Maulhelden. Mit knackigen Dialogen zeigen Sie, wie die Freundschaft zwischen Lydia Escher-Welti, Karl Stauffer-Bern und Gottfried Keller hätte aussehen können. Sie deuten aber auch die verhängnisvolle Liebesbeziehung zwischen der verheirateten Lydia und Stauffer an. Was hat Sie dazu bewegt, die Anfänge einer Ehebruchsgeschichte neu zu inszenieren?

Lydia und Stauffer waren von einer künstlerischen Vision beflügelt, das war mir wichtig, das wollte ich lebensnah erzählen, denn es hat schliesslich sehr handfest und praktisch beginnen, mit Fragen, wie das Intérieur der Villa Belvoir noch schöner werden kenn. Es ist nicht klar, wo und wie die grosse Vision hätte Wirklichkeit werden sollen, denn es kam bekanntlich nicht mehr dazu. Das Drama ist von Shakespeare’scher Grösse, reduziert Lydia Welti-Escher aber zu einem stummen Opfer. Ich wollte ihr eine eigene Stimme geben. Das eigentlich Merkwürdige daran ist doch, dass die gleiche Geschichte heute nicht in einem Skandal enden, sondern die Zahl der Follower des Künstlerpaars und wohl auch den Marktwert von Stauffers Kunstwerken steigern würde. Frau Welti-Escher wäre heute Allein-Investorin in ein künstlerisches Megaprojekt und würde auf Instagram vom Fortgang berichten, Stauffer wohl auch auch Tiktok.

In Ihrem Buch geben Sie spannende Einblicke in das Industriezeitalter, beispielsweise in die rasanten Veränderungen der Essgewohnheiten. Gibt es direkte Verbindungen zu den Protagonisten?

Ja. Gottfried Keller nutzt Essszenen in seinen Romanen und Novellen. Er zeigt beispielsweise im Martin Salander die Ruchlosigkeit eines Politikers ausgerechnet in der Küche, als dieser sich eigenhändig Singvögel zum Abendessen brät, obwohl das damals schon verboten war. Lydia Welti-Escher interessierte sich als Investorin für die Firma Maggi, die damals Fertigsuppen auf den Markt brachte. Solche Fakten bringen unsere Fantasie zum Fliegen.

Ihr Buch enthält auch sieben Rezepte zum Nachkochen und Collagen von Ihnen. Warum?

Das Buch soll alle Sinne ansprechen, als Erzählung, Bilderbuch, Kochbuch und auch als ein Zürich-Buch. Wir spielen. Es freut uns, wenn dies auch andere zum Spielen und Nachkochen animiert. Auch Mut geht durch den Magen.

Hildegard Keller & Christof Burkard. Lydias Fest. Zu Gottfried Kellers Geburtstag. Gebunden, durchgehend vierfarbig. Rezepte und Geschichten auf Farbseiten, mit bedrucktem Vorsatz, 5 Collagen. Gebunden mit Lesebändchen, 128 Seiten. 24,80 CHF, 21,— € (D), 21,50 € (A). ISBN: 978-3-907248-00-3

www.editionmaulhelden.com