Alois M. Haas, Peter Bichsel und Peter von Matt

Drei Menschen sind nicht mehr unter uns: Alois M. Haas (1934–2025), Peter Bichsel (1935–2025) und Peter von Matt (1937–2025).

Alle drei waren in ihrem Fach Meister, für viele von uns auch Lehrer, jeder auf seine Art und zu seiner Zeit. Ich habe alle drei persönlich gekannt, Alois M. Haas und Peter von Matt waren ab 1984 meine Professoren, Peter Bichsel habe ich öfters im Kreuz gesehen, persönlich lernte ich ihn dann 2016 kennen.

Ich möchte an diese drei Menschen erinnern, auch mit Filmen, die ich mit ihnen produzieren durfte. Die Filme mit Peter Bichsel und Peter von Matt sind 2019 entstanden und im Strauhof gezeigt worden (oben sind Ausschnitte, integral sind sie ganz unten verlinkt); der Film mit Alois Haas wartet bis heute auf seine Fertigstellung. Die Zitate stammen aus den unveröffentlichten Transkripten der Aufnahmen.

Alois M. Haas (19342025)

«Ich heisse Alois Haas und bin ein bescheidener Bürger von Zürich gewesen, und damit erschöpft sich auch schon die Auskunft über meinen Namen.»
Alois M. Haas
«Ohne Zweifel ist in der Postmoderne der Stern des starken selbstbestimmten Subjekts im Sinken oder gar in die völlige Auflösung geraten.»
Alois M. Haas, Denkbilder, 31

Eine wichtige Geste: Er schenkte mir seine Ausgabe VOM LEBEN DES GEISTES von Hannah Arendt und zählte dann auch zu den ersten Lesern von WAS WIR SCHEINEN. Zum letzten Mal sah ich ihn am Tag vor seinem Tod (mein Nachruf).

«Ich bin niemand, und wenn man das in der Zeitperspektive sieht, dann kommt sofort ganz klar heraus, dass wir eigentlich, obwohl wir ja während des Lebens meinen, jemand zu sein, ist es praktisch sehr bald so: sobald man verschwunden ist, ist man in der Tat Niemand, und dieser Prozess des Niemandwerdens, der ist endgültig, was diese irdische Existenz hier betrifft.»
Alois M. Haas, Transkript 2019

Peter Bichsel (19352025)

«Ich war in Berlin, so auf einer Dichterschule, einer der Lehrer war Peter Rühmkorf. Der kam mit einem Kapitel aus dem grünen Heinrich, wollte von uns, dass wir Paraphrasen aufschreiben zur Berufswahl, als der grüne Heinrich Maler werden wollte. Ich leide selber nie unter Heimweh, aber da hab ich zum ersten Mal Heimweh bekommen, nämlich als Rühmkorf dieses Kapitel vorlas.»
Peter Bichsel, Transkript von 2019
«Es wird immer gesagt, Keller hat ein perfektes Hochdeutsch geschrieben, unsere Lehrer haben uns das zum Vorwurf gemacht. Es gab einen Schweizer Keller, der hat absolut perfektes Hochdeutsch geschrieben. Mag sein. Aber in einem Zürcher Tonfall. In einem schweizerischen Tonfall. Und zwar dieses alte Stadtzürcherdeutsch, inzwischen fast ausgestorben. Dieses etwas langsame, schleppende, etwas gelangweilte Zürcherdeutsch. Ein guter Freund von mir hat es noch gesprochen; der Max Frisch. Und ich hörte plötzlich Zürich, und ich hörte plötzlich die Schweiz.»
Peter Bichsel, Transkript von 2019

Peter Bichsel sprach ich zum letzten Mal bei einer Lesung in einer Zürcher Buchhandlung im November 2021. Er sagte mir, er lese WAS WIR SCHEINEN.

© Bloomlight Productions GmbH, Hildegard Keller, produziert im Auftrag von Strauhof Zürich, 2019.

© Bloomlight Productions GmbH, Hildegard Keller, produziert im Auftrag von Strauhof Zürich, 2019.

Peter von Matt (19372025)

«Die kollektive literarische Intelligenz ist nicht am Zunehmen heute.»
Peter von Matt, Transkript 2019
«Wenn man einen solchen Menschen kennt von seiner Biografie her und wenn man seine Werke kennt, dann beginnt man automatisch, Querverbindungen zu machen.»
Peter von Matt, Transkript 2019

Dezember 2020. WAS WIR SCHEINEN war gerade in Druck gegangen, ich schrieb Peter von Matt, dass meine Hauptfigur im Tessin gern Zeitung lese, so auch einen Artikel von ihm, der tatsächlich in jener Ausgabe enthalten war. Die entsprechende Romanpassage schickte ich mit. Seine letzte E-Mail: «Ein gutes Gefühl, von Hannah Arendt gelesen worden zu sein. Schönen Sonntagnachmittag, Peter»

© Bloomlight Productions GmbH, Hildegard Keller, produziert im Auftrag von Strauhof Zürich, 2019.

© Bloomlight Productions GmbH, Hildegard Keller, produziert im Auftrag von Strauhof Zürich, 2019.

Die Aufnahmen von Peter Bichsel und Peter von Matt entstanden anlässlich der Jubiläums-Ausstellung zu Gottfried Kellers 200. Geburtstag im Strauhof Zürich (Leitung: Rémi Jaccard, stv. Philipp Sippel). Mitwirkende: Roman Hess (Ausstellungskonzept und Idee zur Videoproduktion), Mona Petri und Gottfried Breitfuss (Schauspiel), Peter Bichsel, Peter von Matt, Julia Weber und Hildegard Keller, Benno Hofer (Kamera, Ton, Tonmischung, Schnitt), Dominik Keller (Kamera), Carter Ross (Kamera), Elena Wetli (Produktionsassistenz), Hildegard Keller (Regie, Produktion, Schnitt).