Das Verblassen der Farben

Über Farbherstellung und Maltechniken im mittelalterlichen Zürich

Verblasst

Die Tanzszene der Wandmalerei an der Brunngasse 8 ist unterbrochen durch einen weissen Telefonkasten, Metallhalterungen überdecken Teile der Blätterranke, die Ränder des Bildes sind ausgefranst. Und ich kann enttäuschend wenig erkennen: Blätterranken, Wappen, Männer und Frauen, die tanzen, ein Mann spielt auf dem Platerspiel. Die Farben sind verblasst, teilweise fast verschwunden. Das restaurierte Bild hat einen blassen Ockerton, weisslich oder pastellgelb.

Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie die Kleider der Tanzenden ursprünglich gemustert waren, wie der Hintergrund aussah und welche Gesichtsausdrücke die Tanzenden hatten. Die Wandmalerei entstand um 1330, es ist nicht erstaunlich, dass die Farben nach bald 700 Jahren an Leuchtkraft verlieren. Trotzdem ist es schade. Wie haben die Farben einmal ausgesehen? Und warum mussten sie so stark verblassen? Mein Beitrag dreht sich um die Frage, mit welcher Technik und welchen Materialien eine Wandmalerei hergestellt werden konnte, von welchen Schäden Wandmalereien betroffen sein können und wie eine Restaurierung abläuft. Des Weiteren sollen Überlegungen dazu gemacht werden, welche Farbigkeit einmal vorherrschte und nach welchen Kriterien die Farben gewählt wurden.

Der Erhaltungszustand der Wandmalerei an der Brunngasse 8 ist im Vergleich zu anderen Wandmalereien gut:

„Trotz ihres fragmentarischen Zustandes zählen die Wandmalereien im «Brunnenhof» zu den am besten erhaltenen profanen Wandbildern aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts im Gebiet der Deutschschweiz. Sie gehören ausserdem zu den wenigen Wandmalereien aus dieser Zeit, die in Zürich noch am ursprünglichen Ort erhalten sind." (Wild/Böhmer, S. 23).

Andere Wandmalereien in der Deutschschweiz aus dem Spätmittelalter sind noch viel schlechter erhalten und es ist unvermeidbar, dass die Farben verblassen. Da es Unterschiede im Erhaltungszustand gibt, stellt sich die Frage: Wie beeinflusst die Wahl der Technik und der Materialien die Haltbarkeit der Wandmalerei?

Ebenso wichtig ist die darauffolgende Einwirkung auf die Wandmalerei: Welche natürlichen Prozesse bewirken eine Verblassung? Welche Schäden an Wandmalereien haben Menschen direkt und indirekt bewirkt?

Wie läuft eine Restaurierung ab, mit welchen Möglichkeiten und Grenzen sind Restauratoren konfrontiert? Darüber spreche ich mit Barbara Könz, die an der Restaurierung der Wandmalerei an der Brunngasse 8 beteiligt war.

Von welcher Farbigkeit kann man ausgehen? Um dies zu erfahren, möchte ich die Wandmalerei mit der Buchmalerei vergleichen.

Im Zusammenhang mit Farben beschäftige ich mich auch mit der nicht technischen, sondern symbolisch begründeten Wahl von Farbpigmenten. Dazu tausche ich mich mit der Kunsthistorikerin Sabine Sommerer aus.

Maltechnik

Wie kann man denn überhaupt auf eine Wand malen? Ich stosse auf verschiedene Techniken, die sich hauptsächlich darin unterscheiden, ob auf feuchten oder trockenen Putz gemalt wird - oder beides.

Freskomalerei

Bei der Freskomalerei werden die Farben aufgetragen, wenn der Putz noch nass, aber druckfest ist. Die Farbpigmente können dabei mit Wasser, Kalkwasser oder Kalkmilch angerührt werden. Da Kalk stark alkalisch und damit aggressiv wirkt, kann er nur mit wenigen und stabilen Farbpigmenten verwendet werden.

Es gibt Pigmente, wie beispielsweise Azurit oder Zinnober, die nur aufgetragen werden können, wenn der Putz schon leicht getrocknet und daher weniger alkalisch ist.

Das Fresko wird auf mehrschichtigem Putz angefertigt: Der Unterputz (Arriccio) besteht aus eher gröberem, der Oberputz (Intonaco) aus eher feinerem Sand.

Bei der reinen Freskomalerei werden meist keine organischen Bindemittel eingesetzt, die Farben werden lediglich mit Wasser angerührt, lediglich proteinhaltige Stoffe werden manchmal hinzugefügt. Nach dem Auftragen bildet sich auf der Oberfläche eine zunehmend feste Schicht aus Kalziumkarbonat, das sich aus den Pigmenten herauskristallisiert. Die Farben versinken dabei nicht im nassen Grund, sondern bleiben an der Oberfläche, gebunden im Kalziumkarbonat.

Bei gewissen Wandmalereien bilden Fresken den Untergrund für eine Sekkomalerei, beispielsweise bei grünen und blauen Gewändern. Nördlich der Alpen sind Untermalereien mit Grau und Schwarz gebräuchlich und werden Veneda genannt.

Eine reine Freskotechnik kommt nur selten vor. Die Kalkunverträglichkeit einiger Pigmente ist ein Grund, aber auch, dass bei einem Fresko schnell gearbeitet werden muss, und manchmal die Zeit nicht mehr reicht und der Putz schon trocknet, bevor der Maler fertig ist. Gelegentlich passieren auch Fehler, die dann trocken korrigiert werden müssen.

Zwar verhindert die Sinterhaut schon bald, dass weiter Pigmente eingebunden werden, das richtige Trocknen - der Abbindeprozess - dauert jedoch Monate oder sogar Jahre.

Kalkmalerei

Hier ist der Bilduntergrund trockener, schon abgebundener Mörtel, der frisch befeuchtet wird oder noch baufeucht ist. Der Unterschied zum Fresko ist, dass es bei der Kalkmalerei nicht einen Ober- und Unterputz gibt, also keine Schichten. Dadurch wird die Farbschicht weniger fein und glänzend als beim Fresko, eher stumpf und kompakt. Die Farben werden in Wasser, Kalksinterwasser oder Kalkmilch angerührt. Die Kalkmalerei ist nördlich der Alpen stark verbreitet.

Seccotechniken

Bei der Sekkomalerei wird direkt auf trockenen Untergrund gemalt, zum Beispiel auf abgebundenem Putz, Holz oder Stein. Bei der Seccomalerei kann langsam und in Schichten gearbeitet werden. Details können hinzugefügt werden, Fehler können auskorrigiert werden. Allerdings hält die Sekkomalerei deutlich schlechter als die Freskomalerei.

Es gibt verschiedene Techniken:

  • Bei der Leim- und Kaseinmalerei werden tierische und pflanzliche Leime oder Kasein als Bindemittel verwendet. Nur bei gleich bleibendem Klima bleiben die Farben längere Zeit haltbar.
  • Die Emulsionsmalerei hat Bindemittel. Wasserlösliche (Kasein, Leim, Pflanzengummi) und wasserunlösliche (Öl, Harz, Wachs). Und einen Emulgator, der die beiden Stoffe verteilt. Das Hühnerei ist beispielsweise ein guter Emulgator, der Kasein, Leim und Pflanzengummi verbinden kann. Wenn die Emulsion eher wässerig ist, nennt man sie eine magere Tempera, wenn die fetten Bestandteile überwiegen, handelt es sich um eine fette Tempera. Bei dieser ist die Wasserdurchlässig-keit gering und so besteht das Risiko, dass die Feuchtigkeit sich staut, die Salze kristallisieren hinter der Farbschicht und die Farben werden abgesprengt.
  • Die Öl- und Harzmalerei spielt eine sehr viel geringere Rolle und kommt bei der Wandmalerei fast gar nicht vor. Meist sind die Wachsfunde auf spätere Imprägnierungen zurückzuführen, um die Farben stärker leuchten zu lassen.

Misch-, Wechsel- und Kombinationstechniken

Nicht alle Pigmente können für ein Fresko verwendet werden, darum hat fast jedes Fresko auch Secco-Teile. Von Mischtechnik spricht man aber erst, wenn der Secco-Anteil eine grosse Menge ausmacht oder wenn nicht aus Notwendigkeit al secco gearbeitet wurde, sondern aus einer künstlerischen Absicht. Im Mittelmeerraum versuchte man, so viel wie möglich mit der Freskotechnik anzufertigen, nördlich der Alpen waren vor allem die Kalkmalerei und Emulsionstechniken verbreitet. Al fresco wurde meist nur die Vorzeichnung angefertigt.

Welche Farbpigmente kommen in Frage für die Brunngasse?

Naturwissenschaftliche Methoden wie Spektralanalyse, Röntgenfeinstrukturanalyse, Chromatographie, Mikrochemie und Mikroskopie ermöglichen die Identifikation der vorhandenen Pigmente und Bindemittel. Die Analyse der Farbpigmente dient vor allem dazu, die Entstehungszeit einer Wandmalerei einzugrenzen.

Anstatt dieser aufwendigen Techniken kann durch Kenntnisse über Zeitpunkt und Ort der Verwendung sowie Technik der Wandmalerei das Repertoire der möglichen Farben eingegrenzt werden.

Blau

  • Ägyptischblau war in der Antike bis zum frühen Mittelalter ein beliebtes Blau-Farbpigment. Allerdings war die Herstellung nicht einfach, deswegen wurde es in einigen Wandmalereien gar nicht benutzt. In gewissen Fällen wurde stattdessen Grau genommen. Nördlich der Alpen war es auch wenig verbreitet.
  • Azurit kann auf frischem Mörtel nicht verwendet werden, jedoch wenn der Kalk getrocknet ist, darüber aufgetragen werden.
  • Ultramarin (Lapislazuli) ist kalkfest und seit dem 10. Jh. ein gebräuchliches Pigment. Da es nicht sehr farbintensiv ist, wurde Ultramarin über grauen Untergrund gemalt. Das Pigment gewann man aus Lapislazuli.

Rot

  • Mennige ist rotes Bleioxid und wird hergestellt durch den Glüh-Vorgang von Bleigelb oder Bleiweiss. Mennige ist nicht kalkecht und reagiert auf Licht, wurde aber dennoch verwendet, um Zinnober zu strecken.
  • Zinnober (auch Cinnabarit) ist ein Quecksilbersulfid und kommt vor allem in Spanien vor. Es wurde bereits in der Antike künstlich hergestellt. Zinnober ist kalkecht, aber reagiert auf Licht und Feuchtigkeit. Es wurde oft untermalt oder mit Mennige oder Terra di Siena (Siennarot) gemischt.
  • Roter Ocker kann natürlich oder gebrannt sein, enthält Eisenoxid.
  • Hämatit ist ein Eisenerz und ist zum Beispiel in Pontresina um die Mitte des 13. Jahrhunderts nachgewiesen.
  • Caput Mortuum ist wie Hämatit ein Eisenerz und entsteht bei der Schwefelsäureherstellung.

Gelb

  • Gelber Ocker ist verwittertes Eisenerz und eisenhaltiges Gestein, die Farbe entsteht durch Eisenhydroxid.
  • Massicot (gelbes Bleioxid) entsteht, indem basisches Bleikarbonat auf etwa 400 Grad erhitzt wird. Bei höherer Temperatur entsteht Mennige. Weil sich Massicot häufig bräunlich oder rötlich verfärbt, wurde es wenig verwendet. Oft wurde Massicot nachgewiesen und dann stellte sich heraus, dass stattdessen Bleizinngelb verwendet worden war.

Grün

  • Grünerde entsteht aus der Verwitterung von Eisensilikaten. Sie wurde als Ersatz für den teuren Malachit eingesetzt. Da Grünerde sehr schlecht haftet, muss sie stark gebunden werden. Bei der Kalkmalerei und beim Fresko wurde Grünerde besonders früh aufgetragen, trotzdem ist sie heutzutage kaum noch erhalten.
  • Malachit wird grob pulverisiert. Wenn es zu stark gerieben wird, wird es gräulich. Natürlicher Malachit ist im Gegensatz zum künstlich hergestellten licht- und kalkecht und daher geeignet für die Freskomalerei. Al secco ist die Farbintensität noch höher.

Braun

  • Umbra natur und Umbra gebrannt enthalten Mangan und Eisen und wurden vermutlich schon in prähistorischer Zeit benutzt. In der Wandmalerei im Mittelalter wurde es jedoch selten gefunden.

Auch Mischungen aus Ocker und Grünerde ergeben Braun.

Schwarz

  • Beinschwarz entstand aus gebrannten Knochen.
  • Rebschwarz wurde hergestellt aus verkohlten Rebzweigen, getrockneter Weinhefe und Weintrester.

Weiss

  • Gelöschter Kalk (Kalziumhydrat) wird mit Steinmehl gemischt.

Bindemittel

Bindemittel dienen dazu, Pigmente zu umschliessen, so dass sie sich miteinander und dem Bildträger verbinden. Ein weiteres Ziel von Bindemitteln ist, die Farben zu aktivieren. Wasser oder Terpentin sind Verteilungs- und Verdünnungsmittel, keine Bindemittel.

Das Fresko und zum Teil auch die Kalkmalerei benötigen keine Bindemittel, das Kalziumkarbonat im Verputz reicht aus. Alle Secco-Techniken dagegen benötigen organische, anorganische, wasserlösliche oder zu Emulsionen gemischte Bindemittel.

Wenn keine Bindemittel zu finden sind, muss es sich nicht notwendigerweise um ein Fresko handeln. Pflanzliche und tierische Bindemittel können komplett abgebaut sein.

Werden in Wandmalereien hingegen Proteine, Öle oder andere Bindemittel nachgewiesen, so weisen diese auch nicht unbedingt auf eine Secco-Technik hin. Leime, Quark, Eiweissstoffe können durch spätere Übermalungen und Renovationen oder durch Verzögerer im Mörtel (damit dieser langsamer trocknet) zu den Farbpigmenten gelangt sein.

Man kann also nur bedingt über die Bindemittel erfahren, ob bei einer Wandmalerei eine Nass- oder Trockentechnik vorliegt.

Welche Technik und welche Farbpigmente sind für die Brunngasse verwendet worden?

Die Technik der Brunngasse

Einiges ist unklar und kann nur vermutet werden. Eine chemisch-physikalische Untersuchung durch die Chemikerin Anita Reichlin zeigte, dass die hebräische Schrift zur gleichen Zeit wie die Vorzeichnungen der Wappen gemacht wurden, nämlich dann, als der Wandverputz noch nicht getrocknet war. Das heisst, dass Teile der Wandmalerei eindeutig der Freskomalerei bzw. der Kalkmalerei zuzuschreiben sind.

Mit einer Mezzofresco-Technik, wie Barbara Könz erklärt:

Während es im Mittelmeerraum üblich war, so viel Fresko wie möglich zu malen, wurde nördlich der Alpen viel auf abgebundenen Putz aufgetragen. Barbara Könz rätselte über die hier angewandte Technik:

Die Farbpigmente der Brunngasse

Die Restauratorin Barbara Könz erklärte mir, dass für die Wandmalerei der Brunngasse wohl Pigmente verwendet wurden, die halt verfügbar waren. Für die Feinausführung hat man wahrscheinlich edlen Ocker aus Frankreich benutzt, aber ansonsten hat man hier auch farbige Erden gehabt.

Aufgrund der Verfügbarkeit (siehe oben) und der Kalkechtheit sind also Azurit, Mennige, Zinnober, gelber und roter Ocker, Hämatit, Caput Mortuum, Grünerde, Malachit, Umbra, Beinschwarz, Rebschwarz und gelöschter Kalk am wahrscheinlichsten.

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 18

Wie verändern sich die Farben?

Durch die Lektüre und das Gespräch mit Barbara Könz weiss ich jetzt: Auf die Farben ist kein Verlass. Kalkunechte Pigmente verblassen mehr als andere Farbtöne. Und viele Farben verändern sich. Grün war vielleicht nicht immer grün. Manchmal handelt es sich beim Grün um Malachit, der aus Azurit (Blau) entstanden war. Oder der Farbfleck war einmal grün und ist jetzt blau. Das gelbe Massicot verfärbt sich mit der Zeit meist rötlich oder bräunlich. Von der Malerei mit Azurit al secco über schwarzer oder violetter Freskountermalung ist heutzutage meist nur noch die Untermalung da, welche das Bild stark verändern kann. Zinnober, Bleiweiss und Vergoldungen als Legierungen können schwarz oxidieren. Dies erklärt Schwärzungen, gerade bei Gesichtern kann das zu Verwirrung führen.

Da gewisse Pigmente nicht kalkecht sind, mussten sie al secco aufgetragen werden, wie Barbara Könz erklärt:

Also ist der Maler nicht ganz frei bei der Entscheidung nach Fresko oder Sekko. Die Pigmente gaben die Technik teilweise vor.

Der Vergleich mit Manesse-Buchmalerei hilft

Einige Stilelemente der Wandmalerei an der Brunngasse gleichen stark den Abbildungen in der Manessischen Liederhandschrift und ähnlichen Werken. Verschiedene Elemente gibt es beim zweiten Nachtragsmaler der Manessischen Liederhandschrift, einige sogar schon beim ersten Nachtragsmaler.  Wenn nun die Buchmalereien einen Vorbildcharakter für die Wandmalereien hatten, kann man davon ausgehen, dass für die Wandmalereien ähnliche Farbtöne wie für die Buchmalerei gewählt wurden - also schwarze Vorzeichnungen und vor allem viel intensives Rot, Blau, Grün und Weiss. In den Buchmalereien sind die Farben jedoch deutlich besser als bei den Wandmalereien erhalten und geben damit Aufschluss über die ursprünglich hergestellte Farbigkeit der Wandmalerei.

Die Farbwahl aufgrund von Farbsymbolik

Gab es abgesehen vom technischen oder praktischen Aspekt noch andere Gründe, warum eine Farbe gewählt wurde? Mit Fragen zu diesem Thema richte ich mich an die Kunsthistorikerin Sabine Sommerer (Universität Zürich).

Gab es bei der Wandmalerei Farbcodierungen?

„Farbcodierungen gab es bestimmt, insbesondere im heraldischen Sinne, dass z.B. bestimmte Tinkturenals Grundfarben in anderen Ebenen des Dekorationssystems wieder auftauchen etc. Farben mit besonderer Bedeutung waren die kostbaren Farben wie Gold (rotgrundiert, darüber Blattgold) Dunkelbau (Lapislazuli), Grün (Malachit), dawurde bei Verträgen häufig genaustens festgelegt, wie viel von welcher Farbe verwendet werden musste/durfte, da sich das im Endpreis konkret niederschlug.“

Für das Wappen des Grafen von Luxemburg wurde Zinnober verwendet, für die anderen Wappen Blei-Mennige. Widerspiegelte sich der Wert der Farbe in der Wertschätzung des Wappens oder Adelsgeschlechts?

 „Wenn ich mich recht entsinne, gründen diese Frage v.a. auf Wild/Böhmers Text von 1997, die sehr interessante, aber z.T. auch ziemlich plakative Thesen aufgestellt haben.

Ich denke, man sollte insofern vorsichtig sein damit, als nicht mehr alle Wandmalereien erhalten sind, und auch der Erhaltungszustand nicht mehr überall derselbe ist. So fehlen an manchen Stellen die obersten Schichten. Dies beeinflusst die Aussage bezüglich der Verwendung der Farbpigmente massiv: Wenn das Rot des Luxemburger Löwen fast nur aus wertvollem Zinnober besteht, so kann dieses proportionale Verhältnis also gut entstanden sein, da sich das Blei-Mennige weniger gut erhalten hat.“

Wer entschied, welche Farben eingesetzt wurden?

"Da würde ich nicht ausschliessend antworten wollen, und das variiert auch individuell. Schliesslich lässt sich aber auf keine der drei Fragen eine konkrete Antwort finden, da hierzu Schriftquellen fehlen. Immer wieder stellt sich die Frage: Wer hatte das Sagen: der Auftraggeber, der Künstler, oder gab es eine Drittperson, einen Concepteur, der alles plante?"

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 21

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 21

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 18

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 18

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 18

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 18

Bauuntersuchung

Wie läuft eine Bauuntersuchung in einem Fall wie die Brunngasse ab? Die Restauratorin Barbara Könz erzählt:

Ausschnitt aus Wild/Böhmer, S. 15

Schäden an Wandmalereien durch menschliches Verhalten

Wandmalereien verfallen sowohl natürlich durch Verwitterung als auch durch das Verhalten der Menschen. In manchen Fällen entstehen Schäden bereits bei der Herstellung, manchmal erst später. Bei der Herstellung können die falsche Maltechnik, falsche Baumaterialien oder eingebaute Fremdkörper wie Metallarmierungen die Haltbarkeit einer Wandmalerei reduzieren.

Später kann Sonnenlicht kann die Farben ausbleichen und das Raumklima negativ beeinflussen. Hinzu kommen undichte Wände, aufsteigende Feuchtigkeit, Kondensation, Verschmutzung (z. B. Russ, Staub), Mikroorganismenbefall, mechanische Beschädigungen, Erschütterungen, Umbauten und natürlich auch schlechte Restaurationen.

Pilzbefall

Ein häufiges Problem ist der Pilzbefall, der auch die Restaurierung erschwert. Barbara Könz erzählt:

Renovierung

Dass an Häusern gebaut und umgebaut wird, hat oft Schäden an Wandmalereien zur Folge, Teile gehen ganz verloren. Doch in anderen Fällen blieben gerade durch die Umbauten Malereien erhalten. Das Modernisieren von Häusern dient oft auch dem Zweck einer Verbesserung des Raumklimas. Dies kann sich jedoch negativ auf die Wandmalerei auswirken, dies gilt sowohl für freiliegende als auch für eingehauste Wandmalereien. Feuchtigkeit transportiert Salze bzw. Salzionen an die Oberfläche, die Feuchtigkeit verdunstet, die Salze kristallisieren aus. Dies führt zu grossen Schäden an den Farben.

Die Raumtemperatur schwankt ausserdem durch individuelle Heizgewohnheiten, was zu kurzfristigem Wechsel von Salzkristallation und Salzlösung in der Malschicht führt. Die Kristallisation hat ein grösseres Volumen zur Folge, dies führt zu einem Sprengdruck. So werden Malschicht und Mörtelbestandteile abgestossen. Im Winter trocknet die Luft besonders, wodurch die Kristallisation sich ständig wiederholt.

Entfernung

Wenn dann doch eine Wandmalerei heruntergeschlagen wurde, dann war das zumeist im 19. Jahrhundert. Es gab aber auch andere Wege im 19. und 20. Jahrhundert, eine Wandmalerei zu beschädigen: Instandsetzungskampagnen an Denkmalen hatten Oberflächenreinigungen, Neuverfugungen und Neuverputz zur Folge, wodurch die meisten Funde verloren gingen.

Übertünchung

Eine Wandmalerei konnte wegen mangelhafter Technik übertüncht werden, oder auch, weil sie nicht mehr zur aktuellen Mode passte oder die abgebildeten Themen unpassend wurden. Durch eine Übertünchung ist die ursprüngliche Wandmalerei meist nicht mehr erkennbar, da die Schäden bereits oft sehr gross sind. Es kam selten vor, dass der Putz mit der Wandmalerei entfernt wurde, so dass eine Wandmalerei gerettet worden wäre, stattdessen wurde in der Regel die alte Wandmalerei übermalt.

Dies trifft auch auf die Wandmalerei an der Brunngasse zu. Wie kam es dazu? Barbara Könz erzählt:

Die Beachtung von Wandmalereien in der Öffentlichkeit

Wandmalereien werden in der Öffentlichkeit eher wenig beachtet. Annegret Möhlenkamp (Amt für Denkmalpflege in Lübeck) beschreibt in "Geschichte in Schichten" den möglichen Grund:

„Die Wand- und Deckenmalereien werden als Kunstgattung bewertet und auf diesem Feld – sicher gelegentlich zu unrecht – für minderwertig befunden. Ihr Wert als kulturhistorisches Zeugnis ist dagegen oft schwer zu vermitteln, da die kulturhistorische Aussage im modernen räumlichen Kontext verloren ist und ohne vertiefende Forschung unbekannt bleibt.“ (S. 12)

Möhlenkamp macht darauf aufmerksam, dass die Wandmalerei gerade durch ihre Form speziell ist und daher die Abnahme von der Wand (Strappo genannt) auch nicht zu empfehlen sei:

„Als Strappo wurde die Wandmalerei zum beweglichen Museumsstück, das wiederum als solches bald als minderwertig empfunden wurde. Der Verfall wird vielleicht aufgehalten, doch verliert die Wandmalerei durch die Übertragung und Pressung ihren besonderen materiellen Charakter. Vor allem entfällt mit dem Verlust des räumlichen Kontextes ein Grossteil der inhaltlichen Aussage.“ (S. 16)

Die Wandmalereien wissenschaftlich zu behandeln und das Interesse daran zu wecken ist wichtig:

„Erst die Deutung [...] und Interpretation der Wandmalerei gibt ihr einen Wert, den auch der Laie nachvollziehen kann [...]. Es gibt also einen engen Zusammenhang zwischen der kunst- und kulturwissenschaftlichen Aufarbeitung einer Wandmalerei und ihrer Chance, erhalten zu werden.“ (Möhlenkamp, S. 18f.)

Wäre es auch möglich, weiter zu gehen, als die Wandmalerei nur zu erhalten? Könnten die Farben auch so aufgefrischt werden, dass die restaurierte Wandmalerei der ursprünglichen Wandmalerei wieder ähnelte? Das frage ich Barbara Könz:

Um zu illustrieren, wie viel und welcher Art sie in eine Wandmalerei eingreift, verwendet Barbara Könz gern den Begriff der Lesbarkeit:

Also wird so wenig wie möglich verändert und die Wandmalerei bleibt für die Besucher in dem vorhandenen blassen Zustand. Die Farbigkeit stellt sich der Betrachter so gut wie möglich selbst vor.

Bibliographie und Dank

Die Recherchen zu dieser Story stützen sich auf die nachstehend genannten Quellen; wörtliche Zitate sind mit Seitenangabe nachgewiesen; die für diese Story besonders informativen Quellen sind mit * gekennzeichnet. 

  • Uta Hassler/Winfried Nerdinger: Das Prinzip Rekonstruktion. Zürich 2010
  • Susanne Kern: Wandmalerei des 13. bis 16. Jahrhunderts am Mittelrhein. Regensburg 2015
  • *Albert Knoepfli et al.: Wandmalerei. Mosaik. Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken. Band 2. Stuttgart 1990.
  • Manfred Koller: Zur Technik und Erhaltung mittelalterlicher Wandmalereien. In: Mittelalterliche Wandmalerei in Österreich. Wien 1970.
  • Kühn, Hermann: Farbe, Farbmittel: Pigmente und Bindemittel in der Malerei. In: Labor RDK. URL: http://www.rdklabor.de/wiki/Farbe,_Farbmittel:_Pigmente_und_Bindemittel_in_der_Malerei#3._Bestimmung_der_Pigmente_in_Mal-F. Datum des Zugriffs: 1.6.2018.
  • Birgid Löffler-Dreyer: Wandmalereien in Lübecker Bürgerhäusern aus restauratorischer Sicht. In: Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck.
  • Annegret Möhlenkamp: „Geschichte in Schichten“ Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Einführung in das Tagsungsthema am Beispiel Lübeck. In: Geschichte in Schichten. Wand- und Deckenmalerei im städtischen Wohnbau des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Internationales Symposium 2000 in Lübeck. 
  • Bruno Mühlethaler: Gedanken zur Untersuchung und Wiederverwendung alter Pigmente. In: Von Farbe und Farben. Zürich 1980.
  • Jan Raue: Farbe und Licht in der Märkischen Klosterarchitektur. Polychromie der Choriner Zisterzienserarchitektur im Spiegel der Befunde in der Franziskanerkirche Angermünde und im Dominikanerkloster Brandenburg/ H. Choriner Kapitel, Heft 100. Chorin 2003.
  • Dölf Wild/Roland Böhmer. Die spätmittelalterlichen Wandmalereien im Haus «Zum Brunnenhof» in Zürich und ihre jüdischen Auftraggeber. Separatum aus: Zürcher Denkmalpflege, Stadt Zürich, Bericht 1995/96, S. 15–33. Zürich 1997.

Die Autorin dankt Sabine Sommerer und Barbara Könz für die spannenden Interviews und Laura Clavadetscher, Hildegard Elisabeth Keller und Michael Nadig für die hilfreichen Inputs.

Dieser Beitrag entstand im Seminar Brunngasse 8 und Film (Prof. Dr. Hildegard Keller, Frühlingssemester 2018) am Deutschen Seminar der Universität Zürich.